Steht zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz nichts weiter als ein Gedankenstrich?
- Frederic Wolny

- 4. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug.

Momentan geistert auf LinkedIn ein angeblicher „Hack“ herum, um KI-Texte zu erkennen: die unverhältnismäßig große Vorliebe künstlicher Intelligenz für – passt auf – Gedankenstriche. Aber stimmt das auch?
Ich habe mal meinen ChatGPT-Verlauf angesehen.
Bei längeren und ausführlichen Texten kommen bei mir nicht viele Gedankenstriche vor. Aber sobald es um kürzere Texte für Anzeigen und Headlines geht, trifft es zu – fast jeder Text enthält mindestens einen davon.
Hat man davor einfach keine Gedankenstriche verwendet?
Ich glaube, jeder, der schon mal Marketingtexte selbst geschrieben hat, weiß, dass das nicht stimmt. Je kürzer die Texte sein müssen, desto präziser, prägnanter und lebendiger müssen sie sein. Ein Gedankenstrich ist dafür das perfekte Hilfsmittel. Er funktioniert wie ein Cliffhanger, der im Satz Spannung aufbaut, die dann in der zweiten Hälfte gelöst werden kann. Mehrere Inhalte lassen sich in einem Satz verbinden.
Und das Problem?
Wenn sich diese Meinung noch weiter verbreitet, kann man am Ende keine Gedankenstriche mehr in seinen Texten verwenden, weil es zum stilistischen Verdachtsmoment verkommt. Das wäre schade drum – und würde das Vertrauensverhältnis zwischen Dienstleistern und Kunden weiter anspannen.
Macht es am Ende noch einen Unterschied, ob der Text nun mit oder ohne KI geschrieben wurde? Oder sollten wir uns am Ende eher auf den Inhalt konzentrieren?
Arten von Gedankenstrichen
Da dieses Thema so großen Anklang findet, will ich hier noch etwas mehr Licht ins Dunkel bringen. Hier zunächst mal die Auflistung, was es eigentlich alles an Arten von Gedankenstrichen gibt:
1. Bindestrich (Trennstrich, Viertelgeviertstrich, Divis)
Zeichen: - (U+002D)
Englisch: Hyphen
Verwendung:
Zusammensetzungen: E-Mail, Süd-Ost
Silbentrennung am Zeilenende: Ver- / einbarung
Doppelnamen: Müller-Lüdenscheidt
Dies ist der "normale" Bindestrich auf der Tastatur.
2. Gedankenstrich (Halbgeviertstrich)
Zeichen: – (U+2013)
Englisch: En Dash
Verwendung:
Einschübe: Das ist – wie du weißt – keine leichte Entscheidung.
Streckenangaben: Berlin–Hamburg
Zeitspannen: 2020–2025
Länger als der Bindestrich; in Word oft mit Strg + - auf dem Ziffernblock einfügbar.
3. Geviertstrich (—)
Zeichen: — (U+2014)
Englisch: Em Dash
Verwendung (vor allem im Englischen):
Starke Gedankenpausen: He said it—no hesitation—then walked away.
Ohne umliegende Leerzeichen!
Im Deutschen kaum genutzt, in englischer Literatur aber üblich. Diesen Strich verwenden die KIs gerne. Deshalb wird der Gedankenstrich als so ein starkes Indiz angesehen.
5. Geschützter Bindestrich
Zeichen: (unsichtbar anders, aber identisch aussehend: ‑) (U+2011)
Verwendung:
Verhindert Zeilenumbruch: E‑Mail bleibt zusammen und wird nicht getrennt.
Wird oft in professionellem Schriftsatz verwendet (z. B. in PDFs oder Druckwerken).
Die Frage heißt also: -, –, oder — ? Was für mich aussieht wie Nuscheln über Morsecode, ist gerade das heißeste Thema in Sachen KI. Und da ChatGPT und Co also gerne den — verwenden, obwohl wir im Deutschen eher - und – verwenden, wird der Gedankenstrich also gerne als Indiz herangezogen. Der Grund ist wahrscheinlich, dass ein Großteil der Trainingsdaten für Sprachmodelle aus dem englischsprachigen Raum stammen.
Könnte also doch etwas dran sein?
Die Strichlänge spricht dafür, aber konsequenterweise müsste die KI meiner Meinung nach dann auch keine Leerzeichen vor ihre Gedankenstriche setzen. Das wiederum macht sie aber.
Weitere (angebliche) Indizien zur Erkennung KI-generierter Texte
Neben dem Gedankenstrich haben sich noch einige andere Indizien einen gewissen Bekanntheitsgrad aufgebaut. Die Liste lautet also:
Nutzung von Gedankenstrichen
Nur nochmal der Vollständigkeit halber.
Nutzung von Trikolons
Ein weiteres Indiz ist angeblich die Vorliebe von KIs für Gruppen von 3. Drei Bulletpoints, drei Argumente, etc.
Nutzung von bestimmten Emojis
Zum Beispiel 🚀, ✅
Glatte Sprache
KI-Texte gelten meist als ungewöhnlich glatt, sauber und verwaschen. Manche Leute bezeichnen es auch als steif, oder steril.
Saubere Struktur
In was uns Sprachmodelle weit voraus sind: Jede ihrer Antworten ist strukturiert. Eigentlich etwas Gutes, aber meistens wird die Struktur konsequenter durchgezogen als von Menschen.
Abstände nach Zahlen
Zum Beispiel 20 %, statt 20%
Meine Liste hat weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit.
Ich möchte nur eine Übersicht verschaffen.
Die letzte Frage, die mir bleibt, ist:
Warum ist es Menschen so wichtig, KI-Texte erkennen zu können?
Keine einfache Frage. Ich habe 2 Vermutungen:
Vermutung 1:
Alle wollen sich Arbeit durch KI sparen, aber sobald wir vermuten, dass jemand anderes KI für einen Text oder eine Aufgabe genutzt hat, haben wir das Gefühl, jemand spart sich Arbeit. Und wenn sich eben jemand anderes Arbeit spart, haben wir das Gefühl, derjenige sei faul.
Anstatt sich die Mühe zu machen, selbst zu schreiben, hat jemand die billige Abkürzung genommen. Und das schmerzt komischerweise etwas. Nicht viel. Aber ein kleines Bisschen.
Vermutung 2:
Ganz einfach: Menschen wollen sich besser fühlen als andere.
Das ist dieses große, neue Ding namens KI und keiner weiß genau, wie man damit umgehen soll. Die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion verschmelzen.
Und es ist ein natürliches Bedürfnis von Menschen, sich besser fühlen zu wollen.
Keiner will sich verarschen lassen, deshalb denken wir:
Wenn ich erkenne, dass etwas von einer KI geschrieben ist, dann habe ich immer noch die Oberhand. Die Kontrolle. Mich kann man nicht verarschen.
Ich gehöre zu der kleinen Elite an Superhirnen, die messerscharf KI-Texte erkennen können – anhand kleiner Details.

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